Das
Ende einer Ära, und auch (fast) eines Buches
Ein
Kommentar von Inge Jung
Eine
Institution wird geschlossen. Eine Lokalität, die seit beinahe vierzig Jahren
besteht. Eine Institution in der Stadt Ludwigsburg, die nicht aus dem kulturellen
Leben wegzudenken war. Es spielten hier Größen aus der Musikszene, es war ihre
Plattform um Musik zu machen und ihr Können zu zeigen. Viele Musiker hat diese
Institution auf dem Weg zum Erfolg weitergebracht, bzw. hat diesen erst oder
zum Teil ermöglicht.
Nach
der Schließung scheinen sich die meisten der inzwischen etablierten Musiker
nicht mehr zu erinnern, eher gesagt es ist wohl ein Leichtes, Anfänge zu
vergessen, erinnern sie doch auch an wilde Zeiten, an vielleicht gar
keine glamourösen Zeiten und die Angst vor dem Scheitern. Oder einfach an Zeiten,
an die man ohnehin nicht erinnert werden will. (Vielleicht sich auch gar nicht
richtig kann?)
Der
Schock der Gäste sitzt tief. Gemunkelt wird seit Jahren, dass das Ende naht,
aber wie immer bei Prophezeiungen, man will eben nicht die selbsterfüllende
heraufbeschwören. Einige Angestellte arbeiten seit dem Eröffnungstag dort, oder
zumindest seit vielen Jahren. Der Groll sitzt sicher tief, der der
Immer-Besucher zum Teil sicher auch. Verständlich, denn eine sogenannte „Elite“
sieht sich als „Die Rofa-Familie“. Interessant ist, dass jede Gruppierung sich
als diese eingeschworene Familie sieht, es den anderen abspricht. Der Beobachter
und Zuhörer staunt.
Einer
der regelmäßigen Besucher und passionierter Konzertgeher ist zum Glück
Verleger. Als Kunstförderer, langjähriger Künstler, Maler, Lyriker,
Literaturvereinsvorsitzender und Poesieliebhaber, hat er sofort eine kreative
Idee:
er
will eine Hommage an die „Rockfabrik Ludwigsburg“ schreiben. Eher
schreiben lassen, denn bei der Demo für den Erhalt der Rockfabrik hat er viele
Gleichgesinnte kennengelernt, ihre Trauer über das Verlorene gespürt.
Eben
nicht nur als das oben Beschriebene, sondern auch als feinsinniger und tiefgründiger
Mensch, schlägt er der Gruppe, die sich um den Erhalt nach wie vor bemüht, oder
auch eine neue Lokalität zu finden, vor, ein Buch zu machen.
Er
will vierzig Texte, Bildbeiträge, Geschichten, Kommentare, Interviews usw. als
Hommage herausgeben. Alles zum Selbstkostenpreis. Arbeitszeit, Nerven,
Telefonate usw. alles für umme, also seine persönliche Hommage, sein Beitrag.
Das
Projekt findet großen Anklang. Alle scheinen begeistert, einige schreiben
sofort, reichen Texte und Bilder ein, persönliche Erinnerungen und schwelgen in
ihren Geschichten.
Aber
es kann nicht immer so sein.
Wie auch Schneewittchen nicht in Ruhe bei den Zwergen
gelassen werden konnte, so regten sich auch hier bald einige Stimmen. Eine sehr
große Zahl war einfach ruhig, aber wie immer, steter Tropfen höhlt den Stein.
Leute, die absolut nichts mit der Herausgabe zu tun hatten, mäkelten an der
Typographie, an dies und jenem. Alles wurde vom Verleger beschwichtigt und
erklärt, dass es lediglich ein Arbeitstitel ist, und natürlich nicht die finale
Version.
Nein,
dass könne man nicht stehen lassen, die Stänkerer stänkerten weiter, einige
Mitläufer hängten sich mit dran, natürlich nicht so offensiv, aber auch
defensiv tut auf Dauer sein Übriges. Man könnte nun erwarten, dass die Befürworter
in die Bresche sprangen, aber weit gefehlt. Einzelne Kommentare waren zu hören,
dass man nun aufhören solle nur vorwürflich zu schreiben.
Im
Hintergrund spielten sich nun ganz andere Nachrichten ab. Über Mail und
Nachrichten in einem sozialen Netzwerk wurde der ehemals selbstlose ideenreiche
Verleger angegriffen, beleidigt und bedroht. Zum Teil anonym, womit sich bereits die Größe der Schreibenden zeigt, ihren geistigen Moder und ihre Tumbheit.
Die
beiden Verlagsbetreibenden beraten sich lange Abende, sprechen, wägen ab. Neben
dem Sammeln der Beiträge und dem Organisieren, belasten die Beleidigungen und
das Stänkern im Netz mittlerweile das Projekt. Man überlegt, will Treffen
organisieren, muss Bildrechte abklären, sich wegen evtl. geschützter Logos,
Titel, Namen etc. mit allen möglichen Leuten in Verbindung setzen.
Auch
nette und freundliche Telefonate gibt es, es wird von zwei Mitstreitern Hilfe
angeboten, das muss erwähnt werden, denn sonst wäre das Projekt zum Sterben verdammt
gewesen. Aber weiter ging es nicht.
Auch
haben diese beiden sogenannten „Mitstreiter“ sich nie in der Gruppierung im
Netz zu Wort gemeldet, im Gegenteil, einer gab dem ärgsten Stänkerer sogar
mehrfach Recht, was ja an sich keinen Sinn macht und paranoid genannt werden
muss.
Die
Bedrohungen sind zu diesem Zeitpunkt so weit, dass der Verleger Bilder auf
seiner Verlagsseite entfernt und man überlegt, wie man denn nun überhaupt
weiterverfährt, besser gesagt, ob überhaupt. Auch hier wird von den beiden
wieder ein komplettes Wochenende beraten und abgewägt.
Die
Entscheidung: man löscht sämtliche Posts, deren Kommentare bisher mit Würde und
Professionalität ertragen wurden. Nur als der Permanentstänkerer ein Gedicht
sieht, das den Titel „tastaturhitler“ trägt und älter ist, fühlt er sich angesprochen und läuft zu Hochform auf. Aber da ist es bereits entschieden.
Posts
raus, Gruppe verlassen und solch ein Projekt eine einmalige Sache sein lassen.
Übrigens: der Name des Gedichts ist natürlich mit Absicht gewählt worden, da in
dem sozialen Netzwerk einige, vornehmlich interessanterweise Herren, sich
hinter ihrer Tastatur verschanzen und jegliche Manieren, jedes Taktgefühl, und erst
recht ihre Erziehung vergessen, ich gehe davon aus diese ist im Grunde
vorhanden. Eine Unterstellung, die ich hier tätige.
Beiträge
werden nach wie vor gesammelt, aber nur noch über die Verlags-E-Mail. Denn
eines ist sonnenklar:
Was
der Verlag beschlossen hat zu machen, macht er. Dazu sind die beiden Literaten
viel zu konsequent und auch sturköpfig. Und, zu professionell, nur das haben
die Stänkerer gar nicht erkannt.