Sonntag, 19. Januar 2020

Das Ende einer Ära, und auch (fast) eines Buches


Das Ende einer Ära, und auch (fast) eines Buches

Ein Kommentar von Inge Jung


Eine Institution wird geschlossen. Eine Lokalität, die seit beinahe vierzig Jahren besteht. Eine Institution in der Stadt Ludwigsburg, die nicht aus dem kulturellen Leben wegzudenken war. Es spielten hier Größen aus der Musikszene, es war ihre Plattform um Musik zu machen und ihr Können zu zeigen. Viele Musiker hat diese Institution auf dem Weg zum Erfolg weitergebracht, bzw. hat diesen erst oder zum Teil ermöglicht.
Nach der Schließung scheinen sich die meisten der inzwischen etablierten Musiker nicht mehr zu erinnern, eher gesagt es ist wohl ein Leichtes, Anfänge zu vergessen, erinnern sie doch auch an wilde Zeiten, an vielleicht gar keine glamourösen Zeiten und die Angst vor dem Scheitern. Oder einfach an Zeiten, an die man ohnehin nicht erinnert werden will. (Vielleicht sich auch gar nicht richtig kann?)

Der Schock der Gäste sitzt tief. Gemunkelt wird seit Jahren, dass das Ende naht, aber wie immer bei Prophezeiungen, man will eben nicht die selbsterfüllende heraufbeschwören. Einige Angestellte arbeiten seit dem Eröffnungstag dort, oder zumindest seit vielen Jahren. Der Groll sitzt sicher tief, der der Immer-Besucher zum Teil sicher auch. Verständlich, denn eine sogenannte „Elite“ sieht sich als „Die Rofa-Familie“. Interessant ist, dass jede Gruppierung sich als diese eingeschworene Familie sieht, es den anderen abspricht. Der Beobachter und Zuhörer staunt.

Einer der regelmäßigen Besucher und passionierter Konzertgeher ist zum Glück Verleger. Als Kunstförderer, langjähriger Künstler, Maler, Lyriker, Literaturvereinsvorsitzender und Poesieliebhaber, hat er sofort eine kreative Idee:
er will eine Hommage an die „Rockfabrik Ludwigsburg“ schreiben. Eher schreiben lassen, denn bei der Demo für den Erhalt der Rockfabrik hat er viele Gleichgesinnte kennengelernt, ihre Trauer über das Verlorene gespürt.

Eben nicht nur als das oben Beschriebene, sondern auch als feinsinniger und tiefgründiger Mensch, schlägt er der Gruppe, die sich um den Erhalt nach wie vor bemüht, oder auch eine neue Lokalität zu finden, vor, ein Buch zu machen.
Er will vierzig Texte, Bildbeiträge, Geschichten, Kommentare, Interviews usw. als Hommage herausgeben. Alles zum Selbstkostenpreis. Arbeitszeit, Nerven, Telefonate usw. alles für umme, also seine persönliche Hommage, sein Beitrag.

Das Projekt findet großen Anklang. Alle scheinen begeistert, einige schreiben sofort, reichen Texte und Bilder ein, persönliche Erinnerungen und schwelgen in ihren Geschichten.
Aber es kann nicht immer so sein.
Wie auch Schneewittchen nicht in Ruhe bei den Zwergen gelassen werden konnte, so regten sich auch hier bald einige Stimmen. Eine sehr große Zahl war einfach ruhig, aber wie immer, steter Tropfen höhlt den Stein.
Leute, die absolut nichts mit der Herausgabe zu tun hatten, mäkelten an der Typographie, an dies und jenem. Alles wurde vom Verleger beschwichtigt und erklärt, dass es lediglich ein Arbeitstitel ist, und natürlich nicht die finale Version.

Nein, dass könne man nicht stehen lassen, die Stänkerer stänkerten weiter, einige Mitläufer hängten sich mit dran, natürlich nicht so offensiv, aber auch defensiv tut auf Dauer sein Übriges. Man könnte nun erwarten, dass die Befürworter in die Bresche sprangen, aber weit gefehlt. Einzelne Kommentare waren zu hören, dass man nun aufhören solle nur vorwürflich zu schreiben.

Im Hintergrund spielten sich nun ganz andere Nachrichten ab. Über Mail und Nachrichten in einem sozialen Netzwerk wurde der ehemals selbstlose ideenreiche Verleger angegriffen, beleidigt und bedroht. Zum Teil anonym, womit sich bereits die Größe der Schreibenden zeigt, ihren geistigen Moder und ihre Tumbheit.


Die beiden Verlagsbetreibenden beraten sich lange Abende, sprechen, wägen ab. Neben dem Sammeln der Beiträge und dem Organisieren, belasten die Beleidigungen und das Stänkern im Netz mittlerweile das Projekt. Man überlegt, will Treffen organisieren, muss Bildrechte abklären, sich wegen evtl. geschützter Logos, Titel, Namen etc. mit allen möglichen Leuten in Verbindung setzen.

Auch nette und freundliche Telefonate gibt es, es wird von zwei Mitstreitern Hilfe angeboten, das muss erwähnt werden, denn sonst wäre das Projekt zum Sterben verdammt gewesen. Aber weiter ging es nicht.
Auch haben diese beiden sogenannten „Mitstreiter“ sich nie in der Gruppierung im Netz zu Wort gemeldet, im Gegenteil, einer gab dem ärgsten Stänkerer sogar mehrfach Recht, was ja an sich keinen Sinn macht und paranoid genannt werden muss.

Die Bedrohungen sind zu diesem Zeitpunkt so weit, dass der Verleger Bilder auf seiner Verlagsseite entfernt und man überlegt, wie man denn nun überhaupt weiterverfährt, besser gesagt, ob überhaupt. Auch hier wird von den beiden wieder ein komplettes Wochenende beraten und abgewägt.

Die Entscheidung: man löscht sämtliche Posts, deren Kommentare bisher mit Würde und Professionalität ertragen wurden. Nur als der Permanentstänkerer ein Gedicht sieht, das den Titel „tastaturhitler“ trägt und älter ist, fühlt er sich angesprochen und läuft zu Hochform auf. Aber da ist es bereits entschieden.

Posts raus, Gruppe verlassen und solch ein Projekt eine einmalige Sache sein lassen. Übrigens: der Name des Gedichts ist natürlich mit Absicht gewählt worden, da in dem sozialen Netzwerk einige, vornehmlich interessanterweise Herren, sich hinter ihrer Tastatur verschanzen und jegliche Manieren, jedes Taktgefühl, und erst recht ihre Erziehung vergessen, ich gehe davon aus diese ist im Grunde vorhanden. Eine Unterstellung, die ich hier tätige.

Beiträge werden nach wie vor gesammelt, aber nur noch über die Verlags-E-Mail. Denn eines ist sonnenklar:
Was der Verlag beschlossen hat zu machen, macht er. Dazu sind die beiden Literaten viel zu konsequent und auch sturköpfig. Und, zu professionell, nur das haben die Stänkerer gar nicht erkannt.