Samstag, 19. November 2022

Rezension von Edgar Bangert

Rezension von „blüten auf totholz“ von dem Schauspieler, Theaterregisseur und Literat Edgar Bangert

Über das lyrische Schaffen von Inge Jung. "blüten auf totholz"; - eine Annäherung...
Was bedeutet Abgeschiedenheit in diesen Zeiten? Und was bedeutet es - auf welche Art auch immer - sich jenen Themen zu nähern, die in unserer scheinbar von Tag zu Tag unübersichtlicher werdenden Gesellschaft rumoren und pulsieren? Von der Gattung Roman sind wir es gewohnt, gelegentlich solche Forderungen eingelöst zu bekommen: Erkenntniseinforderungen. Das Drama hingegen war vor nicht allzu langer Zeit in dieser Hinsicht rigoroser Alleinherrscher. Und Lyrik? Wird kaum noch wahr genommen. Oder etwa doch?

Aus Inge Jungs Gedichtband "blüten auf totholz" spricht mehr als nur eine Stimme. Das ist das Verstörende daran. Und diese Verstörung ist Balsam.
Denn täglich serviert uns unsere Welt eindeutige Erklärungsmuster für nahezu alles. Es ist ein kultureller Krieg um Deutungshoheiten entstanden. Gewiss, das mag nicht unbedingt neu sein. Neu ist aber schon, wie simplifizierend, atemberaubend schnell und verroht das geschieht. Und Literatur? Lyrik, in ihrer Zerbrechlichkeit; - was kann sie leisten?
Es gibt Autorinnen und Autoren, die erheben ihre Stimme. Gute, alte Tradition, vielleicht. Manches davon erreicht uns, Anderes prallt schlichtweg an uns ab. Wir sind zu Trendsettern geworden, zu Kulturkonsumenten. Und das ist ein Gift.

Wer solche Erwartungshaltungen hat und diese Muster pflegt, möge jetzt bitte nicht weiter lesen. Alle Anderen aber schon, ich nenne sie Brüder und Schwestern. In "nebensächlich" lässt uns die Dichterin wissen:
"der anfang ist gemacht/ traum/ aus sich selbst/ dem innersten/ weiteres/ ist nebensächlich/ ohne tiefgang/ änderung/ das ich/ versinkt/ im/ spiegel".
Was für eine Bestandsaufnahme!

Neulich hatte ich ein Gespräch. Mein Gegenüber erzählte mir etwas vom lyrischen Ich. Aha, dachte ich also, so ist das. Davon habe ich bereits gehört. Was aber, wenn sich das lyrische Ich weder gegenständlich begreifen, geschweige denn eindeutig bestimmen lässt? Was geschieht dann mit uns?

"die nacht der geister liegt vor uns/ die letzte nacht der träumer/ die in den sommerwiesen/ ihr glück fanden/ ihr unterpfand nun einlösen müssen", schreibt Inge Jung. Fürwahr, das ist unheilvoll. Zugleich aber auch anmutig und schön. Und jener Umgang mit Paradoxie gelingt der Dichterin fortwährend grandios. Denn wir haben es mit einer Lyrik zu tun, welche sich dieser Welt entzieht, ohne zu flüchten, um sich ihr einen Atemzug später wieder vehement entgegenzustellen, ganz ohne Lärm.
Das ist vielleicht die größte Leistung dieses Buches. Vor allem aber haben wir es mit einer Lyrik zu tun, die in kein Korsett passen will. Gedichte, die oftmals chorisch zu uns sprechen, verstörend chorisch, gerade so, als habe sich der Geist der Antike aus seinen Ruinen befreit, um uns unumwunden zuzurufen: Fühlt euch nicht zu sicher! Dabei verliert diese Dichtung niemals ihr Gleichgewicht, nein, ganz im Gegenteil. Kein Ton zu laut, kein Wort zuviel und genau so auch schwelgerisch. Hier schreibt eben jemand nicht, wie es in zeitgenössischer Lyrik beinah schon inflationär geschieht, über private Befindlichkeiten. Zugegeben, letzteres ist nicht verboten. Aber Literatur darf dort nicht stehen bleiben. Inge Jung geht weiter:
"die leichtigkeit ist endgültig vorbei/ das weitere formsache/ in form gepresst und ausgehärtet/ für die aufgaben/ die aufgegebenen/ bei denen weder hopfen noch malz/ zu finden sind."

Diese Zeitgeistkritik ist radikal. Eben deshalb, weil sie so feinsinnig und vielschichtig ist. Womöglich ist das Wort "radikal" für diese Dichtung auch einfach zu laut. Das ich, in eben diesen Zeilen mit dem Versuch, diese Gedichte zu beschreiben, zunehmend hilfloser werde, spricht ebenfalls für dieses Werk. Ein Werk, welches auch optisch besticht. Könnerhaft wurde es von Ralf Preusker illustriert, die von der Autorin ausgewählten Fotografien verdichten die Atmosphäre der Worte und lassen die Transformation einheitlich werden.
Literatur, sie darf uns hilflos machen und auch betroffen zurück lassen. Dann ist etwas mit uns passiert. Dann ist etwas mit uns geschehen.




Tatsächlich habe ich schon einige tolle, wunderbare Rezensionen und Besprechungen dieses Buchs bekommen.
Aber diese Worte, diese Huldigung, ist für sich selbst stehend Poesie pur. Lieber Edgar, ich Danke Dir!


Donnerstag, 10. November 2022

Neue Publikationen

In wenigen Wochen erscheint ein weiterer Lyrikband von mir, sowie ein Jugendroman.

Da ich den sozialen Netzwerken zurzeit entsage, werde ich hier im Blog nun die ein oder andere Neuigkeit einstellen.

Eine weitere freudige Überraschung der letzten Tage war, dass ich mit Lyrik in gleich zwei Wettbewerbsanthologien vertreten bin. 

Hier eine Fotografie die in das Lyrikbuch soll.








Letzte Generation

Letzte (letzte) Generation 

Klimaschützer nennen sie sich. Der Leser sollte sich diesen Begriff auf der Zunge zergehen lassen. Hier haben wir es nicht mit selbstlosen, von Ideologien geleiteten Geistern zu tun, die wir aus Medien oder auch persönlich kennen.
Nein, die Letzte Generation, wie sie sich selbst nennt, will das Klima anders schützen. Das muss man so stehen lassen, alles andere wäre eine Unterstellung. 

Diese Generation vertritt ihre Meinung und ihren Kampf sehr offensiv, was ihr gutes Recht ist. (?)  So stirbt eine Radfahrerin in Berlin, weil sie von einem Betonmischer überrollt wurde, und die Klimaschützer den gesamten Verkehr lahmlegten, da diese sich an den Boden mitten auf den Straßen festgeklebt hatten, sodass das Rettungsfahrzeug nicht durchkam.
Interessant ist, dass selbst die Medien, nach dem schlimmen Tod dieser Radfahrerin angeben, die Ärztin hätte auch ohne die Straßenblockade nicht anders gehandelt.
Wenn nicht ein Mensch gestorben wäre, müsste sich die Leserschaft fragen, weshalb eine solche Ärztin überhaupt praktizieren darf und Entscheidungen treffen. Oder ist es medientauglich weichgespült, dieses Statement? Stimmt das mit der Ärztin gar nicht?

Sonst sind die Medien schnell mit ihren Urteilen, die meist vernichtend ausfallen. Warum hier, bei Kunstschändern und Kulturgutverbrechern nicht?
Das Bild, das mir ein in Berlin lebender Künstler vermittelt, ist nämlich ein ganz anderes. Wie bei den Bundestagswahlen auch.
Dieser sagt, dass es der Wahnsinn ist, und es einer Straßenschlacht glich, was da vor sich ging. 

Ohnehin fragt sich der Leser, weshalb in unserem Staat Kunstschätze von unnennbarem Wert mit Tomatensuppe, Kartoffelbrei und sonstigem Unrat begossen werden dürfen. Dem Autor wird der Kragen eng.
Was, bitteschön, hat das eine mit dem anderen zu tun? Wieso steht überhaupt die Frage im Raum, ob diese Personen, die ein solches Gemälde angegriffen haben, bestraft werden sollten?
Natürlich gehören sie bestraft! Wenn einer seinem Nachbarn etwas Böses will, muss er nur bei der Polizei angeben, der andere hätte eine Canabispflanze im Keller. Dann wird ihm mitten in der Nacht die Tür von einem Spezialeinsatzkommando eingetreten.
Aber die Gemälde alter Meister können gerne mit Ketchup beschmiert werden. Dann hat derjenige eben im Museum ein Jahr Hausverbot.
Bei mir übrigens lebenslang.